Die Statistik zeigt, dass die Gewaltbereitschaft zur Durchsetzung eigener Interessen stark ansteigt. Insbesondere betroffen sind Berufe, in denen es um Leistungsgewährung geht. Aber auch der öffentliche Personennahverkehr, Banken, Versicherungen und viele weitere sind betroffen.
Wenn deeskalative Maßnahmen funktionieren, ist das ein Gewinn für beide Seiten. Doch verlassen sollte man sich darauf nicht, denn die Erfahrung zeigt, dass es immer wieder Fälle gibt, in denen Personen sich nicht beruhigen lassen (wollen) oder sogar mit vorgefasstem Gewaltvorsatz auftreten. Hier ist es wichtig, einen „Plan B“ zu haben und vor allem auch genau zu wissen, was man im Ernstfall darf und was nicht.
Die gesetzliche Norm hierzu findet sich in §32 Strafgesetzbuch (StGB). Dort steht:
§ 32 StGB - Notwehr
(1) Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.
(2) Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden
Doch was bedeutet das genau? Wo beginnt die Notwehr und was beinhaltet sie? Muss ich den ersten Schlag abwarten? Und werde ich bestraft, wenn ich etwas falsch mache?
Diese Fragen begegnen uns immer wieder in unseren Schulungen für Behörden und Privatunternehmen, die regelmäßig mit schwierigen oder aggressiven Kunden zu tun haben.
Daher im Nachfolgenden ein paar Erläuterungen dazu:
Zunächst einmal etwas Grundsätzliches: Um nach dem deutschen Strafrecht verurteilt zu werden, müssen drei Dinge erfüllt sein:
- Der Straftatbestand eines Strafgesetzes wird erfüllt (z.B. Körperverletzung)
- Der Täter handelt rechtswidrig
- Der Täter handelt schuldhaft
Ist eines der drei Kriterien nicht erfüllt, kann der Täter nicht bestraft werden. Anderweitige Maßnahmen (wie z.B. Unterbringung in einer psychiatrischen Einrichtung oder Leistung von Schadensersatz) bleiben hiervon unberührt.
Der Bereich der Schuld ist den meisten Menschen ausreichend bekannt. Schuldausschließungsgründe sind z.B. zu geringes Alter (Kinder unter 14 Jahren), geistige Behinderungen oder ähnliches. Doch wann ist eine Tat rechtswidrig?
Rechtswidrig ist eine Tat immer dann, wenn keine Rechtfertigung hierfür vorlag. Ein Polizeibeamter beispielsweise, der eine Person aufgrund einer begangenen Straftat festnimmt, macht sich nicht der Freiheitsberaubung strafbar, da sein Handeln durch eine Ermächtigungsgrundlage gerechtfertigt war.
Es muss ein gegenwärtiger, rechtswidriger Angriff vorliegen, sonst ist es keine Notwehr.
Die Rechtsprechung sagt dazu, dass der Angriff immer dann gegenwärtig ist, wenn er unmittelbar bevorsteht oder gerade stattfindet. Eine Faustformel dazu könnte lauten: immer dann, wenn Sie keine andere Hilfe mehr hinzuziehen können - also z.B. die Polizei informieren- und selbst handeln müssen, um einen Schaden von sich abzuwenden, ist der Angriff gegenwärtig. Die Entfernung, 5 Meter oder 1 Meter, macht hierfür keinen Unterschied.
Weglaufen müssen Sie übrigens nicht! Sie dürfen sich wehren!
Gleichwohl kann es natürlich Sinn machen, lieber die Situation zu verlassen, wenn die möglich ist, als sich einem Kampf zu stellen.
Jetzt wird auch deutlich: den ersten Schlag müssen Sie nicht abwarten. Selbstverständlich dürfen Sie sich im Vorfeld wehren und müssen nicht erst eine Schädigung hinnehmen. Das Risiko, dass der Angreifer nur blufft, trägt er selbst.
Rechtswidrig ist ein Angriff übrigens immer dann, wenn er „nicht erlaubt“ ist. Damit ist klar: wenn ein Polizeibeamter Sie aufgrund einer Straftat festnimmt, können Sie sich nicht auf Notwehr berufen. Doch wenn ein Kunde Sie angreift, selbstverständlich schon.
Im ersten Fall liegt kein rechtswidriger Angriff vor, im zweiten Fall sehr wohl.
Ein „rechtswidriger Angriff“ bezieht sich übrigens nicht nur auf die körperliche Unversehrtheit: auch Eigentum und Besitz ist geschützt. Sie müssen ebenso wenig hinnehmen, dass man Ihre Sachen beschädigt, wie einen körperlichen Schaden davonzutragen.
Bei Ihrer Verteidigung müssen Sie das „relativ mildeste Mittel“ wählen. Man mutet Ihnen unter Stress nicht zu, ob es geringfügiger ist, den Angreifer mit einem Schirm in die Flucht zu schlagen oder mit einer Schere. Lediglich ganz grobe Verhältnisse, die Ihnen auch unter Stress klar sein dürften, müssen Sie einhalten.
Im Übrigens sind nur solche Verhaltensweisen geschützt, die dazu dienen, den Angriff zu beenden. Ein Verhalten nach dem Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist vom Notwehr-Paragraphen nicht geschützt. Ein Beispiel: Jemand zerstört Ihr Handy und Sie zerstören dafür seins.
Der Gesetzgeber geht im Regelfall milde mit der angegriffenen Person ins Gericht. Schließlich hat sie nicht die Ursache für den Angriff gesetzt. Das Risiko, durch den Angriff selbst verletzt zu werden, trägt immer der Angreifer.
Und wenn am Ende Aussage gegen Aussage steht!?
Dennoch befürchten viele Menschen, dass sie nach einer Verteidigung in Notwehr selbst verurteilt werden. Hier wird oft das Argument ins Feld geführt, dass am Ende Aussage gegen Aussage stehen önnte. Im schlimmsten Fall sogar mehrere Aussagen gegen Ihre. Wenn sich zum Beispiel zwei oder mehr Personen in Ihrem Büro aufhalten und am Ende aussagen, dass Sie den Angriff begonnen haben.
Diese Ängste lassen sich jedoch recht gut zerstreuen: natürlich geht es nicht an, dass in einem solchen Fall lediglich die Anzahl der aussagenden Personen gegeneinander aufgewogen wird. Es zählen vielmehr Dinge wie Glaubhaftigkeit, Motiv, Vorstrafen etc. Zudem bringt man Ihnen als (Behörden-) Mitarbeiter ein gewisses Grundvertrauen entgegen. Oder sind Sie dafür bekannt, grundlos Kunden anzugreifen?
Vielleicht aber haben auch Ihre Kollegen im Nachbarbüro gehört, wie Sie gerufen haben, der Angreifer möge Sie in Ruhe lassen? Zögern Sie also nicht, sich zu verteidigen, sollte das notwendig werden!
Im Zögern liegt auch eines der größten Probleme bei der Notwehr. Viele Menschen wollen sich eigentlich gar nicht verteidigen. Nicht, weil sie sich gern schlagen oder verletzten lassen möchten, sondern weil sie um jeden Preis einen Kampf vermeiden möchten. So zögern die meisten, immer in der Hoffnung, dass der Angreifer doch noch gehen würde.
Letztlich ist es dafür erforderlich sich klarzumachen, wo die eigene Grenze liegt und dass man ggf. keine andere Wahl hat, als sich auf einen Kampf einzulassen und sich zu verteidigen, selbst wenn man eigentlich gar nicht kämpfen möchte.
Deeskalation und Selbstschutz am Arbeitsplatz
In dieser Schulung lernen Sie den rechtlichen Rahmen der Notwehr und Nothilfe kennen. Ab wann darf man sich wehren? Wo genau beginnt die Notwehr und was darf ich als Notwehrhandlung einsetzen?
Darauf aufbauend schulen wir Ihr Gefahrenradar: z.B. am Schreibtisch, aber auch in Situationen auf der Straße oder in fremden Wohnungen. Wo liegen Gefahren und wie können Sie sich effektiv und realistisch selbst schützen?
Die trainieren an selbst erlebten Gefahren- oder Gewaltsituationen und programmieren so Ihr Muskel- und Episodengedächtnis als Vorbereitung auf zukünftige schwierige Konflikte im Berufsalltag.
Was Teilnehmer über diese Schulung sagen
„Dieses Seminar sollte eine Pflichtveranstaltung für alle sein, die beruflich mit schwierigen Kunden zu tun haben. Ich wusste gar nicht, was ich selbst alles bewirken kann und gehe jetzt mit einem viel besseren Gefühl ins Büro.“
(Schulungsteilnehmerin Jobcenter, NRW)
Gern geben wir Ihnen auf Anfrage Referenzadressen für diese Schulung.